Zwischen Risikomanagement und Landesverteidigung – Ein Reservist im Strukturwandel
Die Zeitenwende hat Deutschland erreicht – und mit ihr die Erkenntnis, dass sich auch die Bundeswehr und ihre gesellschaftliche Rolle grundlegend wandeln müssen. Unser Kollege Burkhard verkörpert diesen Strukturwandel exemplarisch: Als Gruppenleiter im Konzern-Risikomanagement und Major der Reserve verbindet er berufliches und militärisches Engagement. Er beschreibt, was es bedeutet, wenn ein lange vernachlässigtes Thema wieder gesellschaftlich relevant wird.
Vom Teilchenphysiker zum Nachhaltigkeitsexperten
Burkhard hat einen ungewöhnlichen Werdegang hinter sich. Der Frankfurter studierte ursprünglich Teilchenphysik, bevor er in die Bankenbranche wechselte. Er leitet die Gruppe Nachhaltigkeit, ein Themenfeld, das sich ebenfalls stark im Wandel befindet. „Wir kümmern uns sowohl um die Anwendung der Nachhaltigkeitsbewertungen im Kreditprozess als auch um die Berechnung der CO2-Emissionen im Konzernportfolio“, erklärt er seine aktuelle Aufgabe. Neben seiner beruflichen Tätigkeit hat er sich für ein zusätzliches Engagement entschieden, das auf den ersten Blick wenig mit Bankgeschäften zu tun hat: Er ist Major der Reserve bei der Bundeswehr.
Wenn zwei Welten aufeinandertreffen
Die Vereinbarkeit von Bank und militärischem Engagement ist eine Herausforderung, die Burkhard pragmatisch angeht. „Die Bank ermöglicht und fördert die Freistellungen, die sich auf mehrere Wochen im Jahr belaufen“, betont er. Entscheidend sei jedoch die Unterstützung seiner Kolleginnen und Kollegen: „Vor allem wird mir meine Tätigkeit durch ein tolles Team ermöglicht, das sehr autark agiert und während meiner Abwesenheiten Aufgaben effizient verteilt und abdeckt.“ Beide Verpflichtungen seien durchaus vereinbar. Zwar schaue er gelegentlich während der Übungen in seine E-Mails oder telefoniere bei dringenden Themen, „aber das hält sich sehr im Rahmen“.
Gesellschaftlicher Wandel: Neue Wertschätzung für die Bundeswehr
Das Engagement unseres Kollegen fällt in eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat nicht nur die geopolitische Lage verändert: „Die Bundeswehr hat wieder deutlich an Akzeptanz, Respekt und Wertschätzung gewonnen“, stellt Burkhard fest. „Ich denke, diese Entwicklung war längst überfällig, denn schließlich riskieren Soldaten im Ernstfall ihr Leben für die Sicherheit der restlichen Gesellschaft.“
Doch der Strukturwandel geht über die reine Wahrnehmung hinaus. „Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine muss sich die Bundeswehr neu ausrichten“, analysiert der Major der Reserve. „Nachdem sie jahrzehntelang als Einsatztruppe in Krisengebiete geschickt wurde, muss sie sich jetzt wieder auf Landes- und Bündnisverteidigung einstellen.“
Verteidigung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Als Stabsoffizier in der ABC-Abwehr befasst sich Burkhard mit der Thematik atomarer, biologischer und chemischer Bedrohungen, aber auch mit weiter gefassten Aufgaben wie dem Strahlenschutz. „Dabei liegt der Schwerpunkt in der Ausbildung der Fähigkeiten innerhalb der Truppe sowie auf dem regelmäßigen, realitätsnahen Training“, erklärt er. Das Tätigkeitsspektrum von Reservisten ist außerordentlich vielfältig und umfasst nahezu alle Bereiche der Bundeswehr. „Von großem Nutzen für die Bundeswehr sind die zivilen Qualifikationen der Reservisten. Berufsausbildungen, akademische Qualifikationen oder andere Vorerfahrungen sind wertvolle Kompetenzen. Ihre Einbindung unterstreicht die Verzahnung von Zivilgesellschaft und Streitkräften.“
Jedoch sieht Burkhard die grundsätzlichen Herausforderungen der Sicherheitspolitik nicht isoliert bei den Streitkräften. „Die Streitkräfte stellen nur einen Teil der Verteidigung dar. Es kommt auf die gesamte Gesellschaft an, auf jeden von uns, ob in Uniform oder in Zivil“, betont er. „Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, zivile Rettungskräfte, effiziente Logistik oder eine fokussierte Wirtschaft sind ebenso entscheidend.“
Die im vergangenen Jahr geschlossene Partnerschaft zwischen der DZ BANK und der Bundeswehrreserve ist sehr hilfreich
Die DZ BANK als Vorreiter der Reservisten-Partnerschaft
Die im vergangenen Jahr geschlossene Partnerschaft zwischen der DZ BANK und der Bundeswehrreserve bewertet Burkhard als wegweisend. „Diese Initiative ist sehr hilfreich. Das Landeskommando Hessen übernimmt mit der Initiierung von Partnerschaften zwischen Industrie und Bundeswehr eine bundesweite Vorreiterrolle“, erklärt er.
Besonders der Fokus auf den Heimatschutz sei wichtig: „Dies sind Einheiten, die nahezu vollständig aus Reservisten gebildet werden. In ihnen können auch Personen Dienst tun, die keine Vorerfahrung bei der Bundeswehr haben.“ Diese Einheiten würden „in einem möglichen Einsatzszenario Sicherungsaufgaben wie den Schutz von Kasernen, wichtiger Infrastruktur, Logistikzentren“ übernehmen, „aber auch zivile Unterstützungsaufgaben wie zum Beispiel bei Unwettern“.
Ermutigung ohne Berührungsängste
Kolleginnen und Kollegen, die über ein ähnliches Engagement nachdenken, ermutigt Burkhard: „Ich würde ihnen sagen, dass man keine Berührungsängste haben muss und es einfach ausprobieren sollte, wenn einem das Thema wichtig ist. Die Bundeswehr besteht aus Menschen wie du und ich.“ Die Flexibilität sei dabei gewährleistet: „Die Einsatzzeiten werden mit jedem individuell abgestimmt – niemand muss befürchten, dass man keinen Einfluss darauf hat.“ Der Bewerbungsprozess selbst – von der Antragsstellung und Auswahl bis zur Sicherheitsüberprüfung – ist zeitaufwendig, da mehrere Stufen zu durchlaufen sind.
Ein Appell für proaktive Verantwortung
Wenn man ihn fragt, warum wir uns denn engagieren sollen, wenn es doch bislang immer einfacher war, nichts zu tun, wird Burkhard in der Sache deutlich: „Demokratie und Freiheit sind unschätzbar hohe Güter, für die es sich zu kämpfen lohnt. Sie sollten uns motivieren, uns mit dem Thema Verteidigung zu beschäftigen und entsprechendes Wissen aufzubauen.“ Seine Botschaft ist klar: „Sollte es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommen, wird Zeit eine äußerst wichtige Rolle spielen. Es wäre hilfreich, sich bereits im Vorfeld darüber Gedanken zu machen, welche Rolle man im Ernstfall einnehmen möchte.“
Dabei müsse es nicht zwangsläufig die Bundeswehr sein – Engagement sei auch beim Technischen Hilfswerk, dem Roten Kreuz oder in den Gemeinden möglich. „Am wichtigsten ist die Sensibilität für das Thema“, sagt Burkhard. „Wer sich heute Gedanken macht und handelt, kann auch in schwierigen Zeiten zuversichtlich bleiben.“