„Die Veränderung wird nachhaltig sein“: Wie Holger Kumm auf GenAI blickt

Billige Energie aus Russland, verlässliche Absatzmärkte in China und den USA sowie ein militärischer Schutzschirm der Amerikaner – was bis vor kurzem für Deutschland noch selbstverständlich war und dem Standort zu Wachstum verholfen hat, ist heute Vergangenheit. Die neue Realität: Die regelbasierte globale Handelsordnung funktioniert so nicht mehr. Europas größte Wirtschaftsmacht befindet sich als Exportnation noch stärker als viele andere Länder in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Weltweite Dynamiken in Technologien und Digitalisierung tun ihr Übriges. Dies alles bringt auch Geschäftsmodelle hierzulande unter Druck. Wie wirkt sich das auf die Bank, Mitarbeiter und Kunden aus? Diese Fragen beleuchten wir im neuen Themenspecial.

Die Aufnahme zeigt eine Person in einem hellen Raum, die mit verschränkten Armen links neben einem großen Fenster steht. Die Person trägt ein weißes Hemd und dunkle Hosen. Der Hintergrund ist teilweise unscharf, mit einem Fenster und einigen grünen Pflanzen außerhalb des Fensters sichtbar. Das Bild vermittelt eine berufliche Atmosphäre.
Holger Kumm erwartet durch KI nachhaltige Veränderungen

Zu dieser neuen Situation gesellt sich eine Entwicklung, die sich zunehmend in den Alltag der Menschen fräst: Generative KI – oft abgekürzt als GenAI. Die Technologie gilt als Brennglas für Veränderungen. Allein die größten sechs Tech-Konzerne investieren laut Bloomberg in diesem Jahr 360 Milliarden US-Dollar in ihre KI-Entwicklung. Auch hierzulande werde die Technologie die Arbeitsweise grundlegend verändern – davon ist IT-Bereichsleiter Holger Kumm überzeugt. „GenAI unterstützt als Assistent bei Tätigkeiten, die bisher oft zeitaufwändig waren. Das steigert Effizienz und Produktivität. Zunehmend wird KI auch dafür genutzt, ganze Arbeitsprozesse zu digitalisieren, für die dies mit herkömmlichen Methoden früher nicht möglich war“, so Kumm. Gleichzeitig betont der studierte Elektroingenieur, dass der „Human-in-the-Loop“-Ansatz weiter gelte: „Wir brauchen an kritischen Stellen nach wie vor eine menschliche Qualitätssicherung.“


DZ Chat und GenAI-Plattform sind Grundlage: Nun kommt die nächste Stufe
Dass Pioniere wie OpenAI Chef Sam Altmann schon jetzt über den baldigen Durchbruch einer künstlichen Superintelligenz sinnieren, hält Holger Kumm für verfrüht. „Weltweit werden riesige Summen in das Thema gesteckt. Die Nutzenerwartung ist entsprechend groß. Das gilt auch für die Finanzbranche. Tatsächlich befinden sich aber noch viele Unternehmen in einer Explorationsphase, um herauszufinden, an welchen Stellen die Technologie besonders erfolgreich eingesetzt werden kann. Dies gilt auch für die DZ BANK“, erklärt der IT-Experte. Aktuell gebe es vor allem eine individuelle Zeitersparnis – egal ob mit DZ Chat oder einem Fachbereichschatbot. Vor rund zwei Jahren hat die Bank GenAI eingeführt und seitdem viel experimentiert. So wurde laut Kumm eine gute Basis für den weiteren Umgang mit der Technologie geschaffen. „Mit DZ Chat, den mehr als 1000 Mitarbeiter täglich nutzen, haben wir die Kollegen an das Thema herangeführt. Unser Self-Service-Ansatz mit dem Launch der GenAI-Plattform war dann der nächste Schritt. Aus der reinen Chatbot-Phase kommen wir nun aber raus“, sagt Kumm. Eine zunehmende Rolle spiele dabei insbesondere Agentic AI. 

GenAI ist in der Bank angekommen. Volle Wirkung entfaltet die Technologie aber erst dann, wenn sie in die grundlegenden Prozesse integriert wird oder diese sogar neugestaltet. Eine wichtige Rolle spielt hierbei Agentic AI.

Holger Kumm, IT

Integration von GenAI in die Prozesse: Der entscheidende Game Changer
Letztendlich gehe es darum, das Effizienzpotential von KI nun spürbar in der Bank zu realisieren. „DZ Chat hat inzwischen große Akzeptanz und wird breitflächig genutzt. Auch die mehr als 60 umgesetzten GenAI Use Cases auf der Plattform zeigen, dass das Thema in der Bank angekommen ist. Mit Blick auf die Zeitersparnis durch die Nutzung von GenAI reden wir aber noch von nur wenigen Minuten bei jeder Nutzung. Volle Wirkung wird die Technologie erst dann entfalten, wenn sie in die grundlegenden Prozesse der Bank integriert wird oder diese sogar neugestaltet“, betont Holger Kumm. Deshalb arbeitet die IT zusammen mit den Fachbereichen unter der Leitung von Strategie daran, dies umzusetzen. „Dafür nutzen wir auch das erlernte Wissen aus der Explorationsphase“, so Kumm.

Kein separates Tool mehr: KI integriert sich nahtlos in den Arbeitsalltag
In den nächsten Wochen werden die GenAI Plattform und DZ Chat um weitere Funktionen erweitert. Im Oktober erfolgt eine „Live-Anbindung“ an das Internet. Auch eine Verknüpfung an das Intranet und andere interne Datenquellen mit einer großen Anzahl an Einzeldokumenten wird umgesetzt. Ein weiterer Schwerpunkt, der jetzt intensiv verfolgt wird, ist die Implementierung von Agentic AI. „Bei Agentic AI erhält die Künstliche Intelligenz die Möglichkeit, konkrete Aktionen in unseren IT-Systemen durchzuführen. KI entscheidet somit, was in einem Prozessablauf als nächstes zu tun ist und führt dies auch direkt aus“, sagt Kumm. Hierdurch können ganze Prozesse mit Hilfe von KI automatisiert werden. Diese Fähigkeit übertrifft die Möglichkeiten eines einfachen Chatbots somit deutlich. KI spielt laut dem Bereichsleiter zukünftig eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung. 

So werde GenAI zunehmend eine allgegenwärtige Komponente in den Kernprozessen – ähnlich wie das Internet oder die E-Mail. „Die Technologie hebt die Digitalisierung auf eine neue Stufe. Mit Hilfe von Agentic AI lassen sich auch solche Geschäftsprozesse automatisieren, bei denen das bisher nur schwer möglich war. Das sind insbesondere Prozesse, deren genaue Schrittfolge nicht vorab definiert werden kann“, erklärt Holger Kumm, der ein Beispiel nennt: „Das gilt etwa für eine Supportanfrage, bei der zunächst verstanden werden muss, um welches Problem es geht, bevor die richtigen Bearbeitungsschritte festgelegt und ausgeführt werden können.“ Auch der IT-Bereich sei ein starker Profiteur, da Agentic AI etwa die Bearbeitung einfacher Wartungsaufgaben in der Programmierung übernehmen könne. Erste Prototypen hierzu wurden in den letzten Wochen bereits umgesetzt. Kumm betont, dass am Ende aber Menschen für die Aufgaben verantwortlich bleiben – nun aber unterstützt durch noch effizientere Werkzeuge. „Wir wollen wachsen und produktiver werden. Hier kann KI einen signifikanten Beitrag leisten.“