10.09.2025

Regierungskrise in Frankreich: „Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen bleiben hoch“

Die abgebildete Person trägt einen hellblauen Hemd und ein dunkles Sakko. Der Hintergrund ist einfarbig weiß.
Daniel Lenz analysiert die Euro-Zinsmärkte

Das Verfallsdatum von Regierungen in der EU wird immer kürzer. Seit Montagabend ist klar: Der französische Premierminister François Bayrou muss nach nur neun Monaten seine Koffer packen. Präsident Emmanuel Macron hat mit Sébastien Lecornu bereits einen Nachfolger ernannt. Damit ist die politische Krise aber noch nicht vorbei. Daniel Lenz, Leiter Strategie Euro-Zinsmärkte erklärt im Interview, wie es in Frankreich weitergehen könnte und welche Auswirkungen die aktuelle Lage auf die Anleihemärkte hat.

Daniel, schon wieder hat Frankreich eine neue Regierung – warum und ist das Land mittlerweile unregierbar?
Seit den Wahlen im vergangenen Jahr ist das französische Parlament ohne klare Mehrheiten in drei große Lager zersplittert. Koalitionen sind westlich des Rheins unüblich, weshalb der Streit vor allem um die Staatsfinanzen kreist – und um die Frage, wie die viel zu hohe Neuverschuldung gesenkt werden kann. Premierminister François Bayrou scheiterte daran, sowohl die Rechte als auch die Linke von Einschnitten bei den Sozialausgaben zu überzeugen. Am Ende fand er keine Mehrheit für den Staatshaushalt 2026. Vor dieser Herausforderung steht jetzt Lecornu.

Ein nachhaltiger Wille zum Sparen und für Reformen ist kaum erkennbar – was macht das mit den französischen Renditen und dem europäischen Anleihemarkt insgesamt – erwartest Du Turbulenzen oder sogar eine neue Euro-Krise?
Seit der überraschenden Ankündigung von Neuwahlen im Frühjahr vergangenen Jahres sind die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen stetig gestiegen. Inzwischen liegen sie im Kreis der Eurostaaten sogar an der Spitze. Dennoch bleiben die Aufschläge insgesamt moderat – und die französischen Spreads sind weit entfernt von den Niveaus, die man aus Italien oder gar Griechenland in den vergangenen Jahren kannte. Eine neue Euro-Schuldenkrise erwarten wir nicht.

Wird Frankreich von den großen Ratingagenturen herabgestuft und wären höhere Zinsen nicht Gift für das Land?
Fitch entscheidet in dieser Woche über das Frankreich-Rating, S&P folgt im November. Da der Ausblick bereits negativ ist, käme eine Herabstufung auf A+ nicht überraschend. Entsprechend dürften die Risikoprämien – und mit ihnen die Refinanzierungskosten – weiter steigen. Auf Dauer entwickeln sich hohe Finanzierungskosten zu einem ernsthaften Problem. Umso dringlicher wäre ein fiskalischer Kurswechsel, doch dieser ist politisch derzeit nicht in Sicht.

Greift die EZB mit ihrem TPI-Programm dem Land unter die Arme?
Für den Einsatz des TPI gelten klare Kriterien: Es greift nur bei volatilen und fundamental nicht gerechtfertigten Spreadbewegungen. Die aktuelle Ausweitung der Spreads französischer Staatsanleihen ist jedoch eindeutig innenpolitisch bedingt und hat den Gesamtmarkt bislang kaum belastet. Ein Eingreifen käme daher nur bei einer Eskalation mit Ansteckungsgefahr infrage. Dass die EZB das TPI in Reserve hält, wirkt für Investoren wie eine wichtige Rückversicherung. Das erklärt, warum die Märkte bislang gelassen bleiben.

Die Maastricht-Kriterien verfehlen Frankreich und andere EU-Länder deutlich – was sind diese eigentlich wert? 
Ihre Glaubwürdigkeit hat zwar gelitten, dennoch behalten sie einen wichtigen Zweck. Das Reglement zwingt die Mitgliedstaaten, in regelmäßigen Abständen darzulegen, wie sie auf einen nachhaltigen Fiskalpfad zurückkehren wollen. Die Euro-Staaten legen damit fiskalische Rechenschaft ab. Das sorgt dafür, dass zumindest extreme Auswüchse bei den Budgetdefiziten begrenzt werden. Neben dem TPI als Rückversicherung schafft der Euroraum mit seinen Institutionen so insgesamt ein hohes Maß an Vertrauen bei Investoren.