20.01.2023

Wie unsere Auslandsfilialen dem Fachkräftemangel begegnen

Ist der Fachkräftemangel eine spezifisch deutsche Herausforderung? Die demografische Entwicklung, in Deutschland eine der Hauptursachen für fehlenden Nachwuchs, verläuft in vielen Ländern unterschiedlich. Wir haben die Leiter unserer Filialen in Hongkong, London, News York und Singapur gefragt, ob Fachkräftemangel für die jeweilige Filiale ein Thema ist, wie sie damit umgehen und welche besonderen Ideen es gibt.

Johannes Hack: „121.500 Menschen haben Hongkong von Juni 2021 bis Juni 2022 verlassen – davon vier aus unserer Filiale. Da es sich dabei überwiegend um die Jungen und gut Ausgebildeten handelt, verschärft das den sogenannten ‚Brain Drain‘ weiter. Die Regierung hat inzwischen die Dringlichkeit erkannt und will bald konkrete Fördermaßnahmen ergreifen. Bis sich die Lage auch für uns verbessert, wird es aber noch dauern.

Der Mangel trifft alle Bereiche. Für uns besonders dringlich sind Betreuer, die Kantonesisch, Mandarin und Englisch sprechen. Das ist leider genau die Kombination, die auch alle anderen Banken suchen. Beim Recruiting setzen wir neben Weiterempfehlung auf die klassischen Methoden Jobbörsen und Personalagenturen. Anders als in Deutschland ist die Marke DZ BANK hier nur wenig bekannt. Wenn der Kontakt aber erst einmal hergestellt ist und die Kandidaten sich nach unserem Ruf erkundigen, schneiden wir sehr gut ab. Fairerweise liegt das zum einen Teil auch an den teils sehr antiquierten Führungsmethoden chinesischer Banken, die westliche Unternehmen generell besser dastehen lassen. Den anderen Teil macht das ‚DZ BANK Gen‘ mit seinem sehr partnerschaftlichen Umgang untereinander aus.

Wir fördern externe Weiterbildungsmaßnahmen gerne und umfänglich – seien es Sprachkurse oder fachliche Trainings. Aktuell prüfen wir, ob wir eine IHK anerkannte Ausbildung zum Kaufmann bzw. -frau für Digitalisierungsmanagement anbieten können. Damit würden wir in den Kreis der gut 30 deutschen Unternehmen aufrücken, die in Hongkong eine deutsche duale Berufsausbildung anbieten.“

Martin Wehling: „Der Fachkräftemangel ist in der Finanzbranche in Singapur sehr ausgeprägt. Kein Wunder, denn neben über 200 Banken gibt hier rund 2.000 Asset bzw. Fonds Manager, über 700 Family Offices, 1.400 Fintechs und gut 50 Innovation Labs. Auch aus geopolitischen Gründen hat Singapur in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen, was zu einer Verschärfung der Lage führt. Da es vor Ort zu wenig Fachkräfte gibt, sucht Singapur auch international nach Mitarbeitern. Allerdings benötigt man dafür ein Arbeitsvisum – und diese sind knapp und begehrt.

Als kleine Niederlassung mit gut 60 Kolleginnen und Kollegen müssen wir in diesem Wettbewerb beim Thema Gehalt und bei den Aufgaben attraktiv bleiben. Auch das Arbeitsklima spielt eine wichtige Rolle. Dies scheint uns ganz gut zu gelingen: Auf der Seite des Jobportals Glassdoor, auf dem Arbeitgeber von ehemaligen Mitarbeitern anonym bewertet werden können, hat die DZ BANK Singapur momentan ein Rating von 4.2 von 5.0 – und ist damit die am besten beurteilte deutsche Bank am Standort. 

Den Arbeitskräftemangel spüren wir in allen Bereichen – allen voran in der IT, insbesondere beim Thema Data Management und Cloud, im Compliance und bei ESG-Beratung. Aufgrund der Größe der Niederlassung suchen wir tendenziell eher nach Generalisten, daher kann eine Neubesetzung teilweise bis zu neun Monate dauern. Für das Recruting nutzen wir neben persönlichen Empfehlungen von Mitarbeitern insbesondere spezialisierte, lokale Webseiten und haben in den letzten zwei Jahren auch vermehrt mit Personalagenturen gearbeitet.“

Carl Amendola: „Die elf Millionen unbesetzten Stellen in den USA wirken sich natürlich auch auf die Finanzbranche aus. Für die letzten beiden neu zu besetzenden Stellen standen leider nur relativ wenige qualifizierte Bewerber zur Auswahl. Aus diesem Grund ist Mitarbeiterbindung für uns in New York von großer Bedeutung und wir bemühen uns, den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen beim Thema Gehalt, Sicherheit und Work-Live-Balance gerecht zu werden.

Ein wettbewerbsfähiges Gehalt ist ein zentraler Aspekt, um Mitarbeiter zu halten und qualifizierte neue Kollegen zu gewinnen. Da alle pendeln, haben wir auch die Arbeitszeiten im Büro etwas flexibler gestaltet – seit Februar 2022 in Form einer "3x2"-Struktur (drei Tage im Büro, zwei Tage im Homeoffice). Wir bieten unseren Mitarbeitern unterschiedliche Zusatzleistungen wie beispielsweise verschiedene Modelle der Altersvorsorge. Das Wichtigste ist, dass die Kultur eine große Rolle spielt – daher die 3x2-Struktur. Wir stärken den Teamgeist durch häufige gesellige Zusammenkünfte im Laufe des Jahres, wie beispielsweise mit unserem Sommerfest Ende Juni und der jüngsten Happy Hour in unserer Niederlassung Anfang September.

Unser traditioneller Ansatz, über Mitarbeiterempfehlungen zu rekrutieren, ist nach wie vor ein wichtiger Kanal. Wir fördern dies durch ein Bonusprogramm sowie durch Transparenz bei offenen Stellen – und wir betrachten jede freie Stelle als Chance, die Vielfalt und insbesondere die Qualifikationsprofile in unserer Filiale weiter auszubauen. Darüber hinaus nutzen wir aktiv die Möglichkeit, direkt an den Universitäten zu rekrutieren.“

Johannes Haas: „In der Filiale London spüren wir derzeit vor allem, dass wir für neue Kolleginnen und Kollegen aus der EU Visa beantragen müssen. Das macht insbesondere die Rekrutierung von Praktikanten recht aufwändig. Schwierig ist es im Moment für die Bereiche Compliance, für Projektfinanzierungen und Operations, gute Mitarbeiter zu finden. Insgesamt leidet Großbritannien seit dem Brexit massiv an Fachkräftemangel, der in erster Linie jedoch die medizinische Versorgung, den National Health Service, und das Handwerk trifft.

Wir rekrutieren hauptsächlich über externe Personalagenturen und persönliche Empfehlungen. Allerdings werden die Sozialen Medien wie beispielsweise LinkedIn wichtiger, um talentierte Kräfte zu gewinnen. Außerdem rekrutieren wir immer wieder erfolgreich aus dem sogenannten Pool der Interns – das sind Werkstudenten, die während oder nach ihrem Studium in verschiedenen Bereichen bei uns in der Filiale London arbeiten. Man lernt sich gegenseitig kennen und in einigen Fällen wird eine feste Anstellung daraus. Auch das Thema Weiterbildung ist uns wichtig: Wir bieten ein eigenes Trainingsportal mit vielfältigen Weiterbildungsmaßnahmen, auch solche für spezielle Qualifikationen."