„Windenergieprojekte sind seit einem dreiviertel Jahr deutlich teurer“ – Alexandra Pohl über den aktuellen Stand beim Ausbau der Erneuerbaren Energien
Die DZ BANK treibt mit ihrer Expertise und ihren Finanzierungen im Bereich Erneuerbare Energien die Energiesicherheit Deutschlands entschieden voran. Das reicht von Ausbau der Infrastruktur bis hin zum Bau neuer, leistungsfähiger Anlagen zur Energiegewinnung. Anfang des Jahres hat Alexandra Pohl, Gruppenleiterin aus der Strukturierten Finanzierung, berichtet, dass Deutschland beim Ausbau nur schleppend vorankommt. Wir haben bei ihr nachgefragt, was sich seitdem getan hat.
Frau Pohl, Sie waren mit Ihrem Team vor kurzem auf der „Husum Wind“ – einer der größten Messen im Bereich der Windenergie. Was waren Ihre Eindrücke?
Wir haben eine sehr gute Stimmung unter den Marktteilnehmern wahrgenommen. Die Branche lässt sich von den zahlreichen Herausforderungen, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien nach wie vor hemmen, nicht die Laune verderben. Stattdessen ist ein Aufbruch spürbar, weil die Erneuerbaren Energien - im wahrsten Sinne des Wortes - nachhaltig unsere Energieversorgung bestimmen werden.
Bemerkenswert war, dass in diesem Jahr ein chinesischer Windenergie-Akteur vor Ort vertreten war und sich dort selbstbewusst präsentiert hat. Dazu muss man wissen, dass von uns als Bank im deutschen Markt bislang nur fünf Hersteller von Windkraftanlagen akzeptiert werden. Alle weisen langjährige Erfahrungen im europäischen Raum auf. Noch sind die Eintrittsbarrieren aufgrund der Regulatorik für die Chinesen recht hoch – wie schnell sich der Markt öffnet, bleibt die spannende Frage.
Zuletzt hatte vor allem die komplexe Bürokratie den Ausbau ausgebremst. Hat sich hier in den vergangenen Monaten etwas getan?
Meiner Beobachtung nach geht es langsam voran. Es gab zahlreiche kleinere Gesetzesänderungen, die den Ausbau voranbringen. Dadurch werden beispielsweise die Baugenehmigungen in einzelnen Regionen etwas schneller erteilt, als es noch vor einigen Monaten der Fall war. Insgesamt hat sich aber noch nicht genug getan. Bis eine Genehmigung erteilt ist, dauert es im Schnitt immer noch mehr als 24 Monate. Vor allem die fehlende Digitalisierung in den Ämtern ist nach wie vor ein großes Problem. Das gleiche gilt für Transsportgenehmigungen. Aktuell stehen etwa 20.000 Transportgenehmigungen aus.
Hinzu kommt, dass die Personalressourcen für den Ausbau von Erneuerbaren Energien immer knapper werden. Fachkräfte fehlen in der gesamten Wertschöpfungskette – in der Produktion bei den Herstellern, bei den Projektierern der Windparks, aber auch bei uns Banken. Unseren eigenen Personalbedarf bekommen wir bislang noch gut gedeckt – auch, da wir viel in die Ausbildung junger Kolleginnen und Kollegen investieren und beispielsweise unsere eigenen Trainees in den Teams ausbilden.
Wie sieht es bei den Lieferketten für Windenergieanlagen aus?
Auch bei Windkraftanlagen bestehen Lieferprobleme bei einzelnen Komponenten - und die Lage spitzt sich weiter zu. Ein Beispiel: Auf Umspannwerke und Trafostationen mussten Projektierer vor der Pandemie rund sechs Monate warten. Seit der Pandemie und dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine beträgt die Wartezeit nun ganze zwei Jahre.
Könnte auch die Zinswende zum Problem werden?
Klar ist, dass die Windenergieprojekte seit mindestens einem dreiviertel Jahr deutlich teurer geworden sind. Die Preise für Komponenten und die Zinsen sind gestiegen, ferner sind die Lieferketten unsicherer geworden. Doch das hält die Marktteilnehmer nicht davon ab, weiter Projekte in Auftrag zu geben. Die Finanzierbarkeit lässt sich in der Regel durch einen entsprechenden Eigenkapitaleinsatz realisieren. Der Zinssatz ist somit nur einer von mehreren Einflussfaktoren.
Dies zeigt auch ein Blick auf unsere Finanzierungen. Bei der DZ BANK haben wir in den ersten drei Quartalen dieses Jahres ein Neukreditvolumen in Höhe von 743 Millionen Euro für Projekte in Deutschland herausgelegt. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum waren es 561 Millionen Euro. Gerade erst haben wir für die VSB-Gruppe eines der größten Repowering-Projekte Europas finanziert. 50 veraltete Windenergieanlagen werden durch 16 moderne und effiziente Anlagen ersetzt. Damit entsteht in Sachsen-Anhalt ein Windpark, der eine Leistung von mehr als 105 Megawatt hat und rund 67.000 Drei-Personen-Haushalte mit Erneuerbarer Energie versorgen kann.