„Grüne“ Transformation gekonnt verankern

Unternehmen müssen vor allem Ruhe bewahren und Schritt für Schritt vorgehen — Facetten rund um das Thema Nachhaltigkeit sind komplex, allerdings lösbar

Eine nachhaltige Wirtschaft wird es nur geben, wenn die notwendige Transformation alle Branchen und Unternehmen umfasst. Eine Fixierung auf rein grüne Unternehmen trägt daher nicht zum Gelingen dieser Mammutaufgabe bei. Dagegen haben insbesondere CO2-intensive Firmen das Potenzial, durch eine Veränderung ihrer Geschäftsmodelle und -prozesse eine große Wirkung zu erzielen. Banken sind dabei als Finanzierer und Intermediäre gefragt. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, müssen sie selbst die nötigen strategischen Grundlagen schaffen, um wirkungsvoll agieren zu können.

Kraftakt für viele
Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft wird einen Kraftakt für die meisten Institutionen und Unternehmen bedeuten. Denn nur ein überschaubarer Teil von ihnen verfügt schon heute über ein ausreichend grünes Geschäftsmodell, das die externen Anforderungen - etwa mit Blick auf die EU-Taxonomie - in hohem Maße erfüllt. Die notwendige Transformationsleistung ist für diejenigen Wirtschaftszweige besonders groß, die einen hohen Energieeinsatz erfordern, also heute noch sehr CO2-intensiv sind. Dabei handelt es sich ebenso um Energieversorger wie auch um die Automobilindustrie, die Metallproduktion oder die Baubranche. Es liegt auf der Hand, dass diese Wirtschaftszweige unverzichtbar sind. Viele dieser Unternehmen tragen erheblich zur Wirtschaftsleistung des Standorts Deutschland bei. Es ist daher zu kurz gedacht, sie von heute auf morgen mit Vorgaben zu überfordern, die erst nach einer tiefgreifenden Transformation realistisch sind.

Die zentrale Herausforderung liegt folglich darin, die gesamte Bandbreite der Akteure dabei zu unterstützen, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft zu leisten. Schätzungen zufolge werden allein in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen erforderlich sein, um Produktionsweisen und Geschäftsmodelle umzustellen. Der Finanzwirtschaft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Sie muss die nötigen Mittel für die Transformation mobilisieren und in die richtigen Bahnen lenken.

Dabei sind die Herausforderungen, die sich den Banken stellen, nicht geringer. Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, in denen sie sich bewegen, entwickeln sich dynamisch weiter. Sowohl die Europäische Union (EU) als auch die (noch amtierende) Bundesregierung haben sich zuletzt deutlich ambitioniertere Ziele in Sachen Klimaschutz gesetzt. Und auch auf Seiten der Regulatorik ist vieles in Bewegung. Mit der Offenlegungsverordnung und der EU-Taxonomie-Verordnung stehen bereits erste Rahmenwerke der Nachhaltigkeitsregulierung in den Startlöchern; in Teilen finden sie schon ab dem Berichtszeitraum 2022 Anwendung.

Fülle neuer Standards
Gleichzeitig bilden sich am Markt eine ganze Fülle von neuen Standards durch Selbstverpflichtungen heraus, wie die "Principles for Responsible Banking", die "Task Force on Climate-related Financial Disclosures" oder die Klimaschutz-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors. Die Anforderungen der internen und externen Stakeholder wachsen. Banken müssen auf diese veränderten Rahmenbedingungen und die gesteigerte Bedeutung von Nachhaltigkeit die richtigen Antworten finden. Doch bei aller Aufbruchsstimmung und Dringlichkeit beim Klimaschutz ist es für das Gelingen der Transformation wichtig, die notwendigen Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge umzusetzen. Dazu ist die konzertierte, strategische Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit notwendiger denn je. Den Startpunkt bilden geeignete Strukturen und die Schaffung von Transparenz als Basis für strategische Weiterentwicklung und Steuerung. Ziel muss es sein, Nachhaltigkeit in alle strategischen Prozesse zu integrieren.

Die DZ Bank hat daher die Verantwortung für Nachhaltigkeit seit 2020 im Bereich Strategie & Konzernentwicklung verankert. Dort erarbeitet und entwickelt eine Vorstands-Taskforce unter Führung der beiden Vorstandsvorsitzenden die strategischen Leitplanken der Bank mit Blick auf die Nachhaltigkeitspositionierung weiter. Im Fokus dieser Weiterentwicklung stehen die fünf zentralen Handlungsfelder Strategie, Unternehmensführung, Geschäftsportfolio, Geschäftsprozesse und Management des Betriebs - ergänzt durch die Konzernsicht. Die Breite der Themenfelder erfordert zudem eine enge Verzahnung mit zentralen Bereichen: Kapitalmarkt, Firmenkunden, Risiko-Controlling, Kredit und weitere Bereiche müssen in den strategischen Prozess von Anfang an integriert werden.

Als Finanzinstitut können und wollen wir den Wandel der Realwirtschaft aktiv begleiten: Unser stärkster Hebel ist es, die Transformationsbemühungen unserer Kunden in der Realwirtschaft zu unterstützen und zu finanzieren. Die Transformationsbegleitung steht für uns auf zwei Säulen: zum einen, indem wir bereits nachhaltige Aktivitäten unserer Kunden unterstützen sowie auch Kunden, denen die Transformation noch bevorsteht, auf diesem Weg begleiten. Dabei sind Daten der zentrale Schlüssel, um die Transformationsbemühungen wirkungsvoll lenken zu können. Gleichzeitig stellen sie derzeit sowohl für Unternehmen als auch für die sie betreuenden Banken die größte Herausforderung dar. Zwar bieten mittlerweile immer mehr Ratinganbieter entsprechende Datensets an, jedoch liegt der Schwerpunkt auf größeren, kapitalmarktorientierten Unternehmen mit entsprechend umfangreicheren Publizitätspflichten. Aus Bankensicht kann der Rückgriff hierauf Zeit bei der Recherche und Aufbereitung öffentlich verfügbarer Daten sparen. Dies ändert aber nichts daran, dass insbesondere im Firmenkundengeschäft mit kleineren Unternehmen Informationen im Nachhaltigkeitskontext, sofern überhaupt existent, nur im individuellen Kundendialog eingeholt werden können. Von Datenpools und einer Standardisierung im Markt könnten somit insbesondere mittelständische Unternehmen (die selbst wiederum meist keinen strukturierten Zugang zu Nachhaltigkeitsdaten der Lieferkette haben) beziehungsweise Banken mit einem starken Mittelstandsportfolio profitieren.

Als Finanzinstitut können und wollen wir den Wandel der Realwirtschaft aktiv begleiten: Unser stärkster Hebel ist es, die Transformationsbemühungen unserer Kunden in der Realwirtschaft zu unterstützen und zu finanzieren.

Tariq Noori, Abteilungsleiter Konzernstrategie | Nachhaltigkeit

Eigene Klassifizierung
Da es im Markt bislang keine einheitliche Orientierungshilfe oder Methodik zur Nachhaltigkeitsklassifizierung gab, hat die DZ Bank eine eigene Klassifizierung auf Basis der "Sustainable Development Goals" (SDGs) der Vereinten Nationen entwickelt. Die Methodik ermöglicht es, die Nachhaltigkeitsauswirkungen eines Portfolios (Geschäftsaktivitäten, Kunden, Produkte und Services) mit Blick auf die 17 UN-SDGs zu analysieren. Der Beitrag zu den SDGs resultiert aus den wirtschaftlichen Aktivitäten unserer Kunden, die die Bank direkt oder indirekt finanziert, entsprechend setzt die Klassifizierung an diesen finanzierten Aktivitäten an. Die Indikatoren definieren positive, adverse oder neutrale Beiträge zu den SDGs sowie dem Pariser Klimaabkommen. Basis der Klassifizierungslogik ist die tiefgehende Analyse von Wertschöpfungsketten und Wirkzusammenhängen in 85 verschiedenen Branchen anhand von Literaturrecherchen, der Einbindung interner Spezialisten aus den Marktbereichen sowie externer Experten. Das Regelwerk enthält in Summe über 2 000 Einzelindikatoren. Mit Blick nach vorn gilt es nun einerseits das Regelwerk fortlaufend zu verfeinern und andererseits die Effizienz bei der Anwendung zu erhöhen und manuelle Arbeitsschritte zu minimieren.

Fundierte Diskussion
Neben der gewünschten Transparenz ermöglicht die Klassifizierung die fundierte inhaltliche Diskussion über die Positionierung der Bank im Nachhaltigkeitskontext. Für das Kreditportfolio der DZ Bank etwa ergab die Analyse, dass der positive Beitrag insbesondere bei Klima, Infrastruktur und Innovation sowie Wirtschaftswachstum besteht. Treiber sind vor allem die Finanzierungen von erneuerbaren Energien, Handel, Elektrizität und Transport. Die Bank ist bereits heute einer der wichtigsten Finanzierungspartner für die Energiewende in Deutschland. Basierend auf der Analyse hat sie sich zum Ziel gesetzt, dieses Volumen bis Ende 2022 auf 6,0 Mrd. Euro zu steigern.

Zweifelsohne auch Chancen
Die Ableitung ambitionierter Ziele und das Ergreifen geeigneter Maßnahmen erweist sich auf Basis transparenter Informationen nicht nur als zielgerichteter, sondern auch als nachhaltiger Ansatz. Die Nachhaltigkeitsklassifizierung bildet für die DZ Bank daher zukünftig die Diskussionsgrundlage für eine fundierte Beratung des Kunden und ermöglicht nicht nur, das grüne Portfolio weiter auszubauen, sondern auch die braunen Portfolien zielgerichteter zu transformieren. Gleichzeitig trug der Entwicklungsprozess unter Einbindung verschiedener Fachbereiche auch dazu bei, das Zukunftsthema Nachhaltigkeit noch stärker intern zu verankern und die gesamte Organisation zu mobilisieren.

Bei all den Herausforderungen, die es (auch für Banken) in den nächsten Jahren zu bewältigen gilt, bieten sich beim Thema Nachhaltigkeit zweifelsohne auch Geschäftschancen. Wer Nachhaltigkeit in sein Geschäftsmodell integrieren möchte, sollte vor allem aber Ruhe bewahren und Schritt für Schritt vorgehen. Die Facetten rund um das Thema Nachhaltigkeit sind sicherlich komplex - jedoch nicht unlösbar. Vor allem wenn vorhandene Ressourcen und Expertise im eigenen Haus klug genutzt und das bestehende Wissen auf die neuen Themen transformiert werden können. Wer so die strategische Basis für die eigene Organisation legt, kann auch die dem Finanzsektor zugewiesene Aufgabe besser wahrnehmen: Finanzströme langfristig in eine nachhaltige Wirtschaft lenken und den Paradigmenwechsel vollziehen.


Autor: Tariq Noori, Abteilungsleiter Strategie Konzern | Nachhaltigkeit bei der DZ Bank AG

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Dieser Beitrag ist am 23. Oktober 2021 als Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung erschienen.