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Corona
07.07.2020

„Wir erleben eine Renaissance des Autokinos“

Eine Momentaufnahme der Filmbranche in Corona-Zeiten von Andreas Brey, Filmfinanzierungsexperte der DZ BANK.

Andreas Brey, Bereichsleiter im Firmenkundengeschäft Bayern und Filmexperte der DZ BANK

Die DZ BANK ist der führende Filmfinanzierer in Deutschland. Bekannte Produktionen wie „Die Känguru-Chroniken“, „Willkommen bei den Hartmanns“ und für 2021 „Die Schachnovelle“ wurden mit unserer Unterstützung auf die Beine gestellt. Wie es der Filmbranche gerade geht und wie sich Corona auf unser Geschäft auswirkt, berichtet Andreas Brey, Bereichsleiter im Firmenkundengeschäft Bayern und Filmexperte der DZ BANK.

Als der neue James-Bond-Film kurz vor seinem geplanten Start am 1.4. in den Herbst verschoben wurde, dachten bestimmt viele Filmliebhaber: Jetzt wird’s ernst! Sie auch?
Andreas Brey: Der neue Bond ist ein gutes Beispiel für das, was seit Mitte März in der Filmbranche passiert ist: Reihenweise wurden Kinostarts verschoben, Dreharbeiten unterbrochen, neue Projekte erstmal vertagt. Die Kinos sind wirtschaftlich besonders stark von der Krise betroffen. Hart gebeutelt sind auch die Schauspieler, denn für sie gilt: Keine Projekte, kein Verdienst. Aber es gibt auch Gewinner.

Da fallen mir nur die Streaming-Dienste ein…
Genau, die profitieren im Besonderen – aber nicht nur sie. Beispielsweise hat auch das Autokino eine Renaissance erlebt. So wurden für die Erfolgskomödie „Das perfekte Geheimnis“ aus 2019 seit Beginn der Krise nochmal 50.000 Karten in Autokinos verkauft. Auch die Lizenzhändler sind echte Gewinner. Denn die TV-Sender müssen zahlreiche Sendeplätze für abgesagte Live-Events – wie beispielsweise Sportveranstaltungen – neu bestücken. Statt der Bundesliga oder den Olympischen Spielen in Tokio sah man zuletzt häufig ältere Filme, die vorher kein Sender prominent im Programm haben wollte. Bestes Beispiel war „Dirty Dancing“ – immerhin 33 Jahre alt – an einem Sonntag zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr auf RTL.
Manchmal gewinnen auch beide Seiten, wie im Fall von „Berlin Berlin – der Film“. Constantin Film hat mitten in der Corona-Krise die Rechte zu sehr lukrativen Konditionen an Netflix verkauft, statt den klassischen Weg Kino, Home-Entertainment, Pay-TV, Free-TV zu gehen. Das war ein Glücksfall für unseren Kunden. Zum einen weil Constantin Film aufgrund der Ausgangslage nicht überzeugt war, dass der Film ein Kinoerfolg werden würde. Zum anderen, weil sie durch den Verkauf einen sicheren Deckungsbeitrag erzielen konnten. In Deutschland zählt „Berlin Berlin“ zu den nachgefragtesten 90-Minütern bei Netflix.

Und wie geht es unseren Kunden?
Unser Portfolio ist sehr heterogen und granular. Für die großen Player wie Constantin Film, Bavaria Film oder die deutschen Endemol-Töchter ist Corona aktuell zwar nicht schön, weil es die Planungen durchkreuzt, aber sie werden ohne Frage durch die Krise kommen. Gleiches gilt für die Kleineren, wie z. B. die Produktionsgesellschaften von Til Schweiger oder Veronika Ferres. Die haben sehr flexible Kostenstrukturen und können diese Zeit – auch mit Hilfe von Kurzarbeitergeld für die wenigen Festangestellten – aussitzen. Anders sieht es bei den mittelgroßen Produktionsgesellschaften mit einem Umsatz von 10 bis 50 Millionen aus. Sie wird es härter treffen.

Wie wird sich die Situation im Jahresverlauf entwickeln und was heißt das für die DZ BANK?
Die Filmproduktionswirtschaft ist mit der Politik sehr gut vernetzt. So waren die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender mit die ersten, die sich an entstandenen Mehrkosten durch Drehunterbrechungen mit 50 Prozent beteiligt haben. Die Filmförderungen übernehmen auf ihren Finanzierungsanteil bezogen mittlerweile sogar die vollen Kosten. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Monaten ein Fonds mit bis zu 50 Millionen Euro geschaffen wird, um produktionsbedingte Corona-Risiken abzuschirmen. Damit sind die Voraussetzungen für einen geregelten Produktionsbetrieb ab August geschaffen.
Stand heute gibt es keine Kreditausfälle bei unseren Kunden, in wenigen Einzelfällen lediglich einen höheren Liquiditätsbedarf durch die Drehverschiebungen. Das spricht auch für die belastbare Qualität unseres Kundenportfolios. Die größte von uns finanzierte Produktion, „Die Schachnovelle“, ist kurz vor dem Lockdown, Gott sei Dank, noch fertig geworden. Hier haben die Produzenten überschaubar höhere Kosten durch Überstunden in Kauf genommen, was sich heute als richtige und risikoorientierte Entscheidung herausstellt.

Und was wird aus dem Bond? Sehen wir den noch in diesem Jahr?
Schwierige Frage. Der Bond gehört zu den teuersten Filmproduktionen überhaupt, den üblicherweise am ersten Wochenende bis zu 2.000 Besucher pro Kinosaal sehen wollen. Mit den aktuellen Auflagen könnte der Film in den ersten Wochen gerade mal 10 bis 20 Prozent seines Potenzials ausschöpfen. Das wäre ein riesiges Verlustgeschäft. Ein Verkauf an Netflix oder Amazon ist auch keine Option, weil das schlichtweg kein Streamingdienst bezahlen kann und will. Ich gehe davon aus, dass der neue James Bond-Film erst bei weiteren Lockerungen der Auflagen im Kino gezeigt wird. Das könnte also auch erst 2021 sein.