03.03.2025

„Es ist eine magische Zeit“: Drei Kollegen erzählen, was ihnen die Fastenzeit bedeutet

Die Fastenzeit ist angebrochen – am Samstag hat der Ramadan begonnen, die Christen starten am Mittwoch. Wir haben bei zwei Kolleginnen und einem Kollegen nachgefragt, wie sie die Fastenzeit begehen und was sie ihnen bedeutet. Über eine Zeit des Verzichts und der Besinnung.

Der Verzicht fällt Souad Boulganaz-Mimi nicht schwer. Schon vor Jahren hat sie mit dem Intervallfasten begonnen. Während sie unterjährig nur tagsüber – verteilt über acht Stunden – isst, dreht sich der Rhythmus während des Ramadans um: Man isst und trinkt nur vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang. Dennoch unterscheidet sich die heilige Fastenzeit für sie stark vom Rest des Jahres. „Der Ramadan ist für mich eine magische Zeit“, berichtet die 38-Jährige. „Millionen von Menschen auf der ganzen Welt machen mit. Das ist ein besonderes Gefühl der Verbundenheit.“ Auch das abendliche Fastenbrechen im Kreis der Familie, das stets mit dem Verzehr einer Dattel beginnt, hat eine besondere, besinnliche Atmosphäre. „Der Verzicht soll dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“, erklärt sie. „Es geht um Wertschätzung dessen, was man hat, aber auch um ein verstärktes Bewusstsein, dass es eben nicht allen so gut geht.“ Gläubige Muslime sind daher verpflichtet, zu spenden – das gilt ganzjährig, während der Fastenzeit aber nochmal besonders. Doch beim Ramadan geht es nicht allein um Verzicht, erklärt die gebürtige Rüsselsheimerin. Es geht auch darum, sich spirituell und charakterlich weiterzuentwickeln. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass man sich nicht an Lästereien oder Gerüchten beteiligt. Im besten Fall nimmt man die neuen besseren Verhaltensweisen mit in das restliche Jahr. Dabei bleibt Boulganaz-Mimi realistisch: „Das erfordert sehr viel Disziplin und man ist nicht immer gleich motiviert. Deshalb ist der jährliche Rhythmus sehr hilfreich.“ Trotzdem hat sie einen hohen Anspruch an sich: „Ich möchte meinem Gegenüber – egal, wer es ist – immer ein gutes Gefühl vermitteln und die Welt ein bisschen besser hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe“ – wer Boulganaz-Mimi kennt, weiß, das ist alles andere als ein leerer Vorsatz.

Wie im Islam üblich fastet Taoufik Ouattaleb seit seiner Pubertät jedes Jahr. Darauf bereitet er sich sorgsam vor, reduziert beispielsweise schon vor Fastenstart seinen Kaffeekonsum, damit der „Entzug“ nicht zu hart wird. Der Ramadan bietet für den fünffachen Vater jährlich den Anlass, mal aus dem Hamsterrad zu steigen. „Der Fastenmonat ist eine Zeit der inneren Einkehr, der Gemeinschaft und der guten Taten“, erklärt er. So nutzt er den Ramadan, um zu reflektieren – über das eigene Leben und die Welt im Ganzen. Gesprochen wird in dieser Zeit nur das Nötigste. „So kommt man nicht in Versuchung, sich an Spekulationen zu beteiligen und es hilft, dem Miteinander, wenn man zweimal überlegt, ob ein weiteres Wort sinnvoll ist.“ Schließlich ist die Fastenzeit auch eine Zeit der Versöhnung. Ouattalebs Kollegen wissen schon Bescheid, wenn sich der sonst eher gesellige 48-jährige einmal im Jahr zurückzieht, Kaffee- und Lunchverabredungen ablehnt. Schließlich ist er seit 25 Jahren in der Bank. Wie alle gläubigen Muslime feilt Ouattaleb an seinem Charakter, versucht schlechte Gewohnheiten ein für allemal abzulegen und sich spirituell weiterzuentwickeln. Dazu gehört, dass er im Koran liest, aber auch die täglichen Gebete, von denen er und seine Familie das letzte am Abend in der Gemeinde abhalten. „Während des Ramadans arbeiten wir an Körper und Geist“, fasst es Ouattaleb zusammen „Das ist sehr fordernd, aber gleichzeitig mit einer großen Selbstwirksamkeit verbunden, wenn man es durchzieht.“ Bei all der harten Arbeit kommt das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang einer Belohnung gleich. „Dann machen wir es uns in der Familie richtig schön und jeden Abend kommt etwas Besonderes auf den Tisch“, erzählt er.

„Man sollte schon auf etwas verzichten, das einem schwerfällt“, sagt Ulrike Scharf und verweist auf Jesus, der 40 Tage in der Wüste allem entbehrte und damit die christliche Fastenzeit begründete. „Es geht darum, der Versuchung zu widerstehen“, so die 50-jährige. Sie selbst hat sich dieses Jahr zum wiederholten Mal entschieden, industriellen Zucker und Kaffee von ihrem Speiseplan zu streichen. Zusätzlich möchte sie sich mehr bewegen als sonst. Auch den totalen Verzicht hat sie in der Vergangenheit schon erprobt, aber das vertrug sich nicht so gut mit der Arbeit. „Wenn ich das heute mache, nehme ich mir lieber Urlaub“, erzählt sie. Das Leben ohne Zucker und Kaffee sei für sie eine Herausforderung, die körperlichen Vorteile seien jedoch nicht von der Hand zu weisen: „In dieser Phase habe ich beispielsweise weniger Migräne und mir geht es insgesamt besser.“ Doch der körperliche Verzicht ist mehr Mittel zum Zweck und soll vor allem auch den Geist anregen. „Im besten Fall besinnt man sich auf das, was wirklich wichtig ist im Leben, man schaut, wo man steht und wie man in der Welt wirken möchte.“ Regelmäßiges Meditieren hilft ihr dabei, Körper und Seele in Einklang zu bringen. Jesus Botschaften dienen hier der Orientierung: Liebe deinen nächsten, wie dich selbst, heißt es. Für Ulrike Scharf bietet die Fastenzeit eine gute Gelegenheit, Abstand zu nehmen von Überfluss und Egoismus und die eigene Stärke zu finden.