Sonderumfrage: Mittelstand verliert Vertrauen in Lösungskompetenz der Bundesregierung
- Ernüchterung der Mittelständler erstreckt sich auf alle Größen und Branchen – insbesondere auf kleine Mittelständler
- Nur eine Minderheit rechnet mit Rückkehr zu Wirtschaftswachstum
- Unternehmer sind skeptisch, ob Fiskalpakete eine nachhaltige Wirkung entfalten werden
Die Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt spürbar an Rückhalt unter den deutschen Mittelständlern verloren. Nur noch 39 Prozent der Unternehmen erwarten, dass die Regierung die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen kann (Frühjahr 2025: 62 Prozent). Das zeigt eine aktuelle repräsentative Sonderumfrage unter mehr als 1.000 Geschäftsführern und Entscheidern aus dem Mittelstand.
Das nachlassende Vertrauen betrifft nahezu alle zentralen Handlungsfelder – von Energiepreisen über Steuern bis zur Bürokratie. Ein zentrales Beispiel ist die Verbesserung der Infrastruktur, deren Bewältigung trotz des Sondervermögens für Infrastruktur nur mehr eine Minderheit von 43 Prozent der Bundesregierung zutraut (Frühjahr 2025: 58 Prozent). Dass die Regierung insgesamt in der Lage ist, höhere Planungssicherheit für Unternehmen zu schaffen, glaubt aktuell deutlich weniger als ein Drittel (27 Prozent). Im Frühjahr war es noch knapp die Hälfte (45 Prozent).
„Nachdem die neue Regierung zunächst mit einem positiven Momentum und einem gewissen Vertrauensvorschuss seitens der Unternehmer gestartet war, breitet sich Ernüchterung aus”, kommentiert Stefan Beismann, Firmenkundenvorstand der DZ BANK. „Der Mittelstand hatte die Hoffnung in die neue Regierung gesetzt, dass dringende Standortprobleme wie die überbordende Bürokratie, hohe Kostenbelastungen und der Fachkräftemangel angegangen werden. Diese Hoffnung ist enttäuscht worden. Die Regierung bewegt sich zwar in einigen Bereichen in die richtige Richtung, aber deutlich zu langsam.“
Geringe Hoffnung auf Lösung dringender Probleme wie Bürokratie und EnergiekostenInsbesondere auf den Handlungsfeldern, die von Unternehmern immer wieder als besonders dringlich benannt wurden, ist das Zutrauen in die Regierung gesunken. Dass sie in der Lage ist, die Energiekosten zu senken, erwarten nur 30 Prozent der Mittelständler (Frühjahr: 42 Prozent). Fortschritte beim Bürokratieabbau halten nur 24 Prozent für realistisch (Frühjahr: 35 Prozent). Und bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels – dem einzigen Feld mit einem leichten Zuwachs – ist das absolute Niveau des Vertrauens in die Regierung mit 15 Prozent (Frühjahr: 13 Prozent) weiterhin äußerst gering.
Selbst im Bereich Steuerentlastungen, in dem die Regierung mit dem sogenannten Investitionsbooster zumindest verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und damit Investitionsanreize geliefert hat, glauben nur 20 Prozent an einen Erfolg. Hier dürften sich viele Unternehmen größere und vor allem frühere Erleichterungen bei der Körperschaftssteuer gewünscht haben.
Vertrauen bei kleinen Unternehmen besonders gering
Die Ernüchterung des Mittelstandes nach einem halben Jahr schwarz-rot geführter Regierung zieht sich durch alle Branchen und Unternehmensgrößen. Auffällig ist, dass in fast allen Themenbereichen die größten der befragten Unternehmen (Umsatz > EUR 50 Mio. p.a.) der Regierung noch am ehesten vertrauen. Eine Rückkehr zum Wirtschaftswachstum unter der gegenwärtigen Regierung halten immerhin 46 Prozent der großen Mittelständler für realistisch, aber nur 35 Prozent der kleinen Unternehmen (Umsatz < EUR 5 Mio. p.a.).
„Größere international aufgestellte Unternehmen, die entscheiden können, ob sie ihre Produktionshallen im Ausland oder in Deutschland bauen, kommen im gegenwärtigen Umfeld noch eher zurecht. Größere Probleme haben die kleinen Mittelständler, die an den Standort gebunden sind. Hier ist die Frustration gegenwärtig am größten“, sagt Beismann.
Viele Mittelständler befürchten, dass Fiskalpakete verpuffen
Als ein wesentliches Instrument, um der Wirtschaft wieder neuen Schub zu geben, hat die Regierung umfangreiche Fiskalprogramme für die Bereiche Infrastruktur und Verteidigung verabschiedet. Gezielt nach der erwarteten Wirkung dieser Fiskalprogramme gefragt, rechnen 44 Prozent der Mittelständler damit, dass die Wirkung sowohl für die Gesamtwirtschaft als auch für ihr Unternehmen verpuffen werde. Ähnlich viele Unternehmensentscheider haben die Hoffnung aber zumindest noch nicht ganz aufgegeben: Immerhin 37 Prozent der Befragten erwarten noch einen wirksamen gesamtwirtschaftlichen Impuls aus den Fiskalpaketen. Auffällig ist auch hier, dass die Hoffnung auf einen wirksamen Impuls bei den kleinsten Mittelständlern mit 28 Prozent besonders gering ausfällt, während der Wert in den anderen Größenkategorien bei 39 bis 43 Prozent liegt.
Speziell durch Infrastrukturprojekte erhoffen sich 29 Prozent der Unternehmen mehr Aufträge. Mit Zweitrundeneffekten durch eine erhöhte Nachfrage von Profiteuren der Infrastrukturprojekte rechnen sogar 37 Prozent. Mit mehr Aufträgen durch höhere Verteidigungsausgaben kalkulieren nur 22 Prozent der Firmen, während 27 Prozent immerhin positive Zweitrundeneffekte erwarten.
Beismann: „Regierung sollte mit mehr Vehemenz die strukturellen Probleme angehen“
„Die Investitionspakete werden die deutsche Wirtschaft nicht allein aus der Flaute holen. Die Unternehmen versuchen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und technologisch vorn zu bleiben. Allerdings ist die Bürokratie weiterhin ein großer Hemmschuh. Hier müssen Vorschriften sehr viel stärker vereinfacht und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Die im Ansatz begonnene Digitalisierung der Verwaltung ist richtig, muss aber Fahrt aufnehmen. Auch bei den Steuerentlastungen sollte die Regierung nachbessern. Eine Stromsteuersenkung für alle Unternehmen und eine vorgezogene Körperschaftssteuersenkung würde die Unternehmen schneller und stärker entlasten.“, sagt Beismann.
Über die Sonderumfrage
Die Daten für die Sonderumfrage wurden in der Zeit vom 09. September bis 14. Oktober 2025 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. An der repräsentativen Umfrage beteiligten sich mehr als 1.000 Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer deutscher Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 125 Millionen Euro.
Mirja Lehleuter
Head of Social Media / Pressesprecherin
(Firmenkunden, Kapitalmarkt)