Trotz anhaltender Coronabelastungen hohe Investitionsneigung im Mittelstand
- Gespaltenes Stimmungsbild der Unternehmen: verbesserte Lageeinschätzungen, aber eingetrübte Erwartungen
- Steigende Investitionsbereitschaft bei Zukunftsthemen
- Lieferkettenprobleme belasten Mittelstand
- Energiepreise und Lieferengpässe treiben Absatzpreiserwartungen auf Rekordhoch
Der deutsche Mittelstand wird weiterhin durch die Folgen der Coronapandemie beeinträchtigt. Dies verdeutlicht eine repräsentative Umfrage der DZ BANK und des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter 1.000 mittelständischen Unternehmen. Demnach hat sich die Geschäftslage der befragten Unternehmen im Vergleich zum Frühjahr zwar verbessert, die Geschäftserwartungen trübten sich angesichts der vierten Coronawelle, der hohen Preissteigerungen und gestiegenen Materialknappheit jedoch spürbar ein.
Die Folgen der Pandemie hinterlassen auch in den Jahresabschlüssen der mittelständischen Firmenkunden sichtbare Spuren. „Viele Unternehmen konnten aber den Krisenfolgen erfolgreich mit konsequenten Kosteneinsparungen und anderen Maßnahmen entgegenwirken, wie beispielsweise verstärkten E-Commerce-Aktivitäten oder To-go-Angeboten“, sagte Dr. Andreas Martin, Vorstandsmitglied des BVR. „Daneben trugen auch die langjährigen Bestrebungen zur Erhöhung der Eigenkapitalpuffer sowie die umfangreichen Hilfen des Staates wirksam zur Milderung der Krisenfolgen bei“, so Martin weiter. Vor diesem Hintergrund habe sich die betriebswirtschaftliche Lage im Mittelstand zwar merklich verschlechtert, eine Erosion der Bilanzqualität konnte aber vermieden werden.
Geschäftserwartungen fallen deutlich
Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage stieg im Herbst zum dritten Mal in Folge, und zwar von 47,4 Punkten auf 67,8 Punkte. Noch besser wurde die aktuelle Lage zuletzt im Frühjahr 2019 bewertet. Damit wird mittlerweile das Vorkrisenniveau von 61,8 Punkten deutlich überschritten. Zudem liegt das aktuelle Geschäftslageniveau spürbar über seinem langjährigen Durchschnittswert.
Bei den Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate hat sich die Erholung hingegen, nach zwei Anstiegen in Folge, nicht weiter fortgesetzt. Im Herbst rechnet nur noch eine kleine Mehrheit der mittelständischen Unternehmen mit einer besseren Entwicklung in den kommenden Monaten.
„Die Studienergebnisse zeigen, dass der Post-Corona-Boom auch negative Auswirkungen hat. Energie- und Rohstoffpreise sind deutlich nach oben geklettert und manche Vorprodukte wie etwa Halbleiter werden immer mehr zur Mangelware, sodass die Produktion in vielen Bereichen nur eingeschränkt läuft und weit hinter den Auftragseingängen zurückbleibt“, so Uwe Berghaus, DZ BANK Firmenkundenvorstand. „Der deutsche Mittelstand hat aber in der Vergangenheit schon oft genug bewiesen, wie gut er mit Krisen umgehen kann“, so Berghaus weiter. Ein aktueller Beleg hierfür sei die hohe Investitionsbereitschaft bei Zukunftsthemen.
Hoher Investitionsbedarf bei Zukunftsthemen
Trotz der gegenüber der Frühjahrsumfrage eingetrübten Geschäftsaussichten gab die Investitionsbereitschaft der mittelständischen Unternehmen in diesem Herbst kaum nach. Vor einem halben Jahr planten 77 Prozent der Mittelständler, in den nächsten sechs Monaten in ihr Unternehmen zu investieren, jetzt sind es mit 76 Prozent fast genauso viele.
Im Herbst gaben 46 Prozent der Umfrageteilnehmer an, in Digitalisierung investieren zu wollen. Auch in Prozessautomatisierung (33 Prozent) und Umweltmanagement/Nachhaltigkeit (30 Prozent) planen mehr Unternehmen zu investieren als zuvor. Im Allgemeinen steigt die Investitionsbereitschaft jeweils mit zunehmender Unternehmensgröße. Bei der Nachhaltigkeit fällt der Unterschied zwischen großen und kleinen Mittelständlern dabei mit am geringsten aus.
Sicherung der Lieferketten
Angesichts der durch den Post-Corona-Boom entstandenen Knappheit bei vielen Vorprodukten und mittlerweile auch bei vielen Endprodukten kommt der Sicherung der Lieferketten auch im deutschen Mittelstand eine immer größere Bedeutung zu. Für fast zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen ist die Stabilisierung der Lieferketten aktuell relevant. Dabei zeigt sich keine echte Tendenz hinsichtlich der Unternehmensgröße. Selbst von den kleinen Mittelständlern mit einem Jahresumsatz von unter 5 Millionen Euro streben deutlich mehr als die Hälfte die Sicherung der Lieferketten an.
Die Probleme im Zusammenhang mit den Lieferketten treten derzeit vor allem in den Industriebranchen auf. Am meisten an einer Sicherung der Lieferketten interessiert sind mit mindestens drei Viertel der Befragten die Chemie- und Kunststoffindustrie sowie der Metall-, Automobil- und Maschinenbau.
Absatzpreiserwartungen klettern auf Allzeithoch
Zu den negativen Folgen des Post-Corona-Booms zählen auch die stark gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte. Diese belasten die kleinen bis mittelgroßen Unternehmen ebenso wie die internationalen Konzerne. Daher ist es folgerichtig, dass auch die mittelständischen Unternehmen planen, zumindest einen Teil der gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterzureichen.
Angesichts der beträchtlichen Preissteigerungen für Energie und Transportkosten klettern die Absatzpreiserwartungen auf ein Allzeithoch. Seit die Mittelstandsumfrage im Jahr 1995 erstmals erhoben wurde, planten noch nie so viele Unternehmen, ihre Preise anzuheben: 58 Prozent der Befragten planen Preissteigerungen, nur 4 Prozent wollen die Preise senken.
Verschlechterung der Bilanzqualität weniger deutlich als zuvor erwartet
Gemäß der von zuvor rund 860 auf aktuell gut 8.700 Jahresabschlüsse verbreiterten Datenbasis sank der Bilanzqualitätsindex im Krisenjahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um deutliche 3,2 Punkte auf 119,9 Punkte. Der Index fiel damit zwar auf den niedrigsten Stand seit 2014. Er befindet sich aber nach wie vor erheblich über seinem langjährigen Mittelwert der Jahre 2001 bis 2010 von 100 Punkten. Zuversichtlich stimmt auch, dass die Verschlechterung der Bilanzqualität 2020 etwas weniger stark ausfiel als im Rahmen der letzten VR Bilanzanalyse vom Frühjahr 2021 erwartet. Damals wurde ein Rückgang des Indexes um 4,8 Punkte auf 118,4 Punkte prognostiziert.
Gemessen an der Umsatzentwicklung zählten die Bereiche Beherbergung, Gastronomie, Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sowie Metallerzeugung und -bearbeitung zu den am stärksten von der Krise betroffenen Branchen. Demgegenüber kamen beispielsweise die Bereiche Hochbau und Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und Sonstiges Ausbaugewerbe deutlich glimpflicher durch das Krisenjahr. Hier konnten im Mittel kräftige Umsatzsteigerungen erzielt werden. Generell gingen rückläufige (zunehmende) Branchenumsätze mit niedrigeren (höheren) Gesamtkapitalrentabilitäten, höheren (niedrigeren) Kurzarbeiterquoten, zuweilen sinkenden (steigenden) Eigenkapitalquoten und vielfach abnehmenden (zunehmenden) Nettoinvestitionen einher.
Die Studie finden Sie auf unserer Firmenkundenwebseite zum Download.
Über die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“
Die Gemeinschaftsstudie „Mittelstand im Mittelpunkt“ liefert eine umfassende Analyse des deutschen Mittelstands. Sie setzt sich zusammen aus der VR Bilanzanalyse und der VR Mittelstandsumfrage. Grundlage für die VR Mittelstandsumfrage sind Telefon- und Onlineinterviews, die im Zeitraum vom 6. September bis zum 7. Oktober 2021 durchgeführt wurden. Die Stichprobe von 1.000 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Basis für die VR Bilanzanalyse sind die Jahresabschlussdaten (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2020 einreichten (insgesamt gut 2,2 Millionen Abschlüsse).