Digitaler Euro: Neue Geldform hat das Potenzial, das zweistufige Bankensystem abzuschaffen
DZ BANK Vorstand Thomas Ullrich: „Banken müssen Innovationen schaffen und Giralgeld weiterentwickeln, um im Zahlungsverkehr nicht ersetzbar zu werden.“
Im Juli hat die Europäische Zentralbank (EZB) entschieden, den digitalen Euro auf den Weg zu bringen. Viele Details sind noch unklar, zum Beispiel welchen Nutzen die neue Geldform für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft hätte oder auf welcher technologischen Basis sie konzipiert werden sollte. „Der digitale Euro birgt enormes Potenzial für Unternehmen, sofern sich diese bereits mit der Blockchain-Technologie auseinandergesetzt haben“, sagt DZ BANK Vorstand Thomas Ullrich in einem Pressegespräch.
Als eine der wichtigsten Ertragssäulen einer Bank steht der Zahlungsverkehr derzeit stärker denn je unter Veränderungsdruck. Der digitale Euro treibt die Weiterentwicklung bestehender Geldformen und Ökosysteme zusätzlich voran. „Die abnehmende Bargeldnutzung, der Wettbewerbsdruck durch die Big Techs sowie die Entwicklungen rund um Blockchain und Industrie 4.0. sind Aspekte, die Verbraucher, Unternehmen und Banken zum Umdenken zwingen“, so Thomas Ullrich.
Digitale Zentralbankwährung erst perspektivisch sinnvoll
„Die Abschaffung des Bargelds als Zahlungsmittel treiben die Bürgerinnen und Bürger voran, nicht die EZB“, kommentiert DZ BANK Devisen-Analyst Sören Hettler die Debatte um ein mögliches Ende von Scheinen und Münzen. Schließlich nutzen im Alltag immer weniger Menschen Bargeld: Laut aktuellen Zahlen des EHI Retail Institute zahlten Kunden 56,3 Prozent des stationären Handelsumsatzes im Jahr 2020 per Karte. Der Baranteil macht nur noch 40,9 Prozent aus. Damit ist der Vorwurf, die Zentralbank wolle das Bargeld abschaffen, um den Leitzins zu senken, laut Hettler haltlos. Zwar brauchen die Verbraucher den digitalen Euro derzeit nicht. „Perspektivisch ist eine digitale Zentralbankwährung aber sowohl aus Sicht der Bevölkerung als auch der Notenbank sinnvoll. Das zeigt sich in skandinavischen Ländern, wo vielerorts Bargeld nicht mehr akzeptiert wird“, sagt Hettler. Aufgabe der EZB sei es, den Bürgerinnen und Bürgern Zentralbankgeld als sicheres und allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen. „Sie tut also gut daran, vorbereitet zu sein und jetzt die Einführung des digitalen Euro voranzutreiben.“
„Konto bei der EZB“: Mehr Nachteile als Vorteile
Bezüglich der technischen Ausgestaltung prüft die EZB verschiedene Alternativen, von blockchainbasierten Lösungen bis hin zu einer von den Geschäftsbanken geführten Wallet. Ein „Konto für alle bei der EZB“ hätte hingegen mehr Nachteile als Vorteile, sowohl für die EZB als auch für die Geschäftsbanken. „Ein so konzipierter digitaler Euro hätte das Potenzial, das zweistufige Bankensystem abzuschaffen. Es würde den Abfluss von Bankeinlagen sowie deren Wegfall als Refinanzie-rungsquelle nach sich ziehen“, erklärt Thomas Ullrich. Für die Zentralbank würde es einen enormen bürokratischen Aufwand bedeuten, wenn Banken als Intermediäre wegfallen. Deswegen gilt es, die funktionale Trennung zwischen EZB und Geschäftsbanken zu erhalten.
Aufgabe der Geschäftsbanken ist es, Innovationen für ihre Kunden zu schaffen und das Giralgeld weiterzuentwickeln. „Wenn wir jetzt nicht handeln, könnten uns bald die Big Techs mit eigenen Angeboten im Zahlungsverkehr ersetzen“, sagt Claus George, Zahlungsverkehrsexperte für technische Innovationen und digitale Währungen bei der DZ BANK. Großes Potenzial für Unternehmen sieht er in einem Giralgeld-Token auf Blockchain-Basis. „Triggerlösungen, die als Brücke zwischen der Blockchain-Technologie in Unternehmen und dem traditionellen Zahlungsverkehr fungieren, haben wir bereits erfolgreich erprobt.“ Es sind allerdings noch nicht alle Unternehmen ausreichend auf diese Veränderungen vorbereitet. „Das Interesse entsteht über die Technik-Affinität eines Unternehmens. Der Maschinenbausektor ist hier naturgemäß sehr weit.“
EZB muss an Tempo zulegen, um wettbewerbsfähig zu bleiben
Seit 2020 arbeitet die DZ BANK mit dem Start-up PayperChain zusammen. Das Unternehmen bietet eine blockchainbasierte B2B-Plattform an, die Maschinenherstellern Abrechnungen von Pay-per-use Modellen ermöglicht. PayperChain ist eine Tochter der Simoldes Group und genau für diese Bedürfnisse aus der Industrie für die Industrie entwickelt worden. „Die Industrie braucht die Zuarbeit der Banken, damit sie das volle Potenzial der Blockchain-Technologie heben kann“, sagt Stephen Hartmetz, Gründer und CEO von PayperChain. Beim Start des digitalen Euro war ihm die Zentralbank zu zögerlich: „Gerade im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sind digitale Währungen hochrelevant. Die EZB ist im internationalen Vergleich spät gestartet und muss nun an Tempo zulegen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“