2.800 US-Dollar: Analyst Thomas Kulp spricht im Interview über die neue Goldprognose
Seit Jahresbeginn hat der Goldpreis um rund 24 Prozent zugelegt und sich jüngst bei über 2.500 US-Dollar stabilisiert. Ein Ende der Rallye ist trotz historischer Höchstwerte laut DZ BANK Research vorerst nicht in Sicht. Die Analysten erhöhen ihre Goldpreisprognose für Mitte 2025
auf 2.800 US-Dollar. Im Interview erklärt Rohstoffexperte Thomas Kulp, was dahintersteckt.
Thomas, mit seiner starken Performance lässt Gold seit Jahresbeginn sogar den erfolgsverwöhnten NASDAQ-100 hinter sich – wie kann das sein?
Es sind vor allem drei Treiber, die in den letzten Monaten für die außergewöhnlich starke Goldnachfrage und damit für den Preisanstieg verantwortlich waren. Erstens eine hohe Nachfrage durch Zentralbanken aus Schwellenländern. Zweitens die geopolitische Gemengelage, die die Welt spätestens seit Beginn des Krieges in der Ukraine begleitet und Gold als sicheren Hafen attraktiv macht. Drittens: Die Aussicht auf weitere Leitzinssenkungen und tendenziell sinkende Renditen an den Anleihemärkten. Das reduziert die Opportunitätskosten von Gold insbesondere für Privatanleger.
Warum kaufen insbesondere Notenbanken der BRICS-Staaten derzeit so viel Gold?
Die erhöhte Nachfrage der Zentralbanken spiegelt die Suche nach einem Stabilitätsmechanismus in Zeiten hoher geopolitischer Unsicherheit wider. „Blockbildung“ und De-Globalisierung sind neue Realität. Ein weiteres Motiv ist der konkrete Wunsch einiger Nationen, ihre Währungsreserven unabhängiger vom US-Dollar und Euro zu machen. Gerade die Erfahrungen der russischen Notenbank zu Beginn des Ukraine-Krieges dürften in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Ihre üppigen, unter anderem in Euro und US-Dollar denominierten Währungsreserven wurden im Rahmen der Sanktionsmaßnahmen westlicher Staaten gesperrt.
Ist der Gold-Hype auch ein Anzeichen dafür, dass das Vertrauen in Fiatgeld zunehmend schwindet?
Einen strukturellen Trend eines Vertrauensverlusts der Öffentlichkeit in Euro, Dollar & Co. sehen wir nicht. Das Vertrauen in eine Währung hängt vor allem davon ab, ob die Zentralbanken ihren Aufgaben nachkommen. Die Grundvoraussetzung ist eine auf Preisstabilität ausgerichtete, glaubwürdige und transparente Geldpolitik. Eine langfristig erhöhte Inflation und damit Geldentwertung schadet dem Vertrauen in das Fiatgeld. Gewisse Nachwirkungen der erhöhten Inflationsraten in den letzten Jahren mögen damit zwar eine gewisse Rolle spielen. Mittlerweile ist das Inflationsziel von zwei Prozent vielerorts aber wieder in greifbare Nähe gerückt. Dass auch Privatanleger verstärkt auf Gold setzen, liegt insbesondere an der geopolitischen Gemengelage.
Wenn das Umfeld noch länger goldfreundlich bleibt: Sollte jeder Anleger das Edelmetall im Portfolio haben?
Grundsätzlich kann der Goldpreis starken Schwankungen unterliegen. Auf längere Phasen eines dynamischen Anstiegs folgten in der Vergangenheit teilweise deutliche Preisrückgänge – so zum Beispiel 2020 und 2022. Über die letzten 20 Jahre gerechnet, weist Gold trotzdem ein durchschnittliches Plus von rund neun Prozent pro Jahr auf. Eine Beimischung kann in einem ausgewogenen Portfolio somit eine sinnvolle Option darstellen. Ein weiterer Vorteil: Gold hat keine große Korrelation mit dem Aktien- und Rentenmarkt. Das hilft bei der Diversifizierung. Schlussendlich hängt aber jede Portfoliogestaltung von der individuellen Risikoneigung und den Einschätzungen der einzelnen Anlegerinnen und Anleger ab.