„Für die deutsche Wirtschaft steht viel auf dem Spiel“: Analyst Alexander Buhrow blickt auf den amerikanischen Wahlkampf

Alexander Buhrow analysiert das Geschehen in den USA

Am 5. November finden in den Vereinigten Staaten die Präsidentschafts- und Kongresswahlen statt. Überschattet wurde der Wahlkampf vor wenigen Wochen vom Attentat auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Der nächste Paukenschlag folgte durch den Rückzug von Joe Biden. Für die Demokraten antreten dürfte nun aller Voraussicht nach die bisherige Vizepräsidentin Kamala Harris. Volkswirt Alexander Buhrow analysiert das Geschehen rund um den amerikanischen Wahlkampf und mögliche wirtschaftliche Folgen täglich. Im Interview ordnet er die aktuelle Lage ein und erklärt, was sich für Deutschland künftig ändern könnte.  

Durch den Rückzug von Joe Biden scheinen die Karten im Rennen um die US-Präsidentschaft neu gemischt – mit welchem Szenario rechnet unser Research für den kommenden November?
Der Rückzug von Joe Biden war nach dem verpatzten TV-Duell überfällig. Gegen Donald Trump hätte er wohl keine Chance mehr gehabt, das hat er endlich selbst eingesehen. Mit Kamala Harris an der Spitze der Demokraten ist das Rennen um das Weiße Haus wieder deutlich enger geworden. Sie muss nun ein Programm für das Land vorlegen, um die unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen. Doch die Umfrageergebnisse zwischen Republikanern und Demokraten liegen nah beieinander. Das wird sich bis zur Wahl wohl nicht mehr entscheidend ändern – die Gesellschaft ist gespalten. Wer ab Januar 2025 im Weißen Haus sitzen wird, ist also ungewiss. Aus unserer Sicht ist das aber auch gar nicht so entscheidend.

Sondern – die Zusammensetzung im Kongress?
Genau. Der künftige Präsident oder die künftige Präsidentin wird sich voraussichtlich mit einer sehr knappen Mehrheit im Kongress konfrontiert sehen und damit zu erheblichen Kompromissen gezwungen sein. Eine extreme Politik wird dadurch verhindert. Damit sind die Risiken für die Wirtschaft geringer, aber auch die Chancen für neue Impulse begrenzt.
Sollte Trump allerdings die Präsidentschaftswahlen gewinnen und gleichzeitig die Republikaner große Mehrheiten bei den Kongresswahlen erringen, wäre die Situation anders zu bewerten. Trump könnte dann einige seiner „Wahlversprechen“ umsetzen. Dies würde zunächst für Euphorie sorgen, birgt aber mittelfristig auch große Risiken. Höhere Zölle würden nämlich auch die Inflation in den USA deutlich nach oben treiben.   

Protektionismus wird im Wahlkampf fast als Allheilmittel verkauft – was haben beide Seiten jeweils vor?
Protektionismus ist vor allem ein Thema von Trump persönlich. Das Handelsbilanzdefizit der USA hat inzwischen XXL-Maße angenommen. Trump und sein Team sehen darin die Ursache für den „Niedergang“ der US-Industrie in ehemals industriell geprägten Regionen. Viele Wähler geben ihm Recht, vor allem in den wichtigen Swing States wie Michigan oder Pennsylvania. Damit lassen sich also Wahlen gewinnen. Die Republikanische Partei hat sich deshalb notgedrungen hinter Trump geschart, obwohl es immer noch Verfechter des Freihandels gibt. Trump würde zudem gerne einen generellen Basiszoll von 10 Prozent verhängen und China den so genannten „Meistbegünstigungsstatus“ im Rahmen der WTO entziehen, was einer weiteren drastischen Zollerhöhung gleichkäme. Ohne ausreichende Unterstützung durch den Kongress wird er diese Maßnahmen aber nicht umsetzen können, da der wirtschaftliche Schaden ohne eine große Steuerreform auch für die USA erheblich wäre. Und Steuersenkungen sind nur mit dem Kongress möglich.

Und die Demokraten?
Den Demokraten geht es ähnlich, eine harte Haltung gegenüber China musste her, um das Thema nicht Trump zu überlassen. Egal wer Präsident wird, die bisherigen Zollschranken werden mit Sicherheit beibehalten und gerade gegenüber China könnte es punktuell zu weiteren Zöllen kommen, vor allem in „Schlüsselindustrien“.

Deutschland lebt vom offenen Handel – was würde ein Sieg von Trump für unseren Standort bedeuten?
Für die deutsche Wirtschaft steht viel auf dem Spiel, schließlich sind die USA der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Exporte. Ein Erdrutschsieg Trumps und der Republikaner im November wäre für uns in Deutschland ein Grund zur Besorgnis. Die Vermutung ist naheliegend, dass dann die knappe Zeit bis zum Inkrafttreten drastischer Zollerhöhungen genutzt wird, um viele Produkte vorzeitig in die USA zu verschiffen. Kurzfristig könnte die deutsche Exportwirtschaft dann sogar angekurbelt werden, mittelfristig würde sie aber spürbar leiden – vor allem, wenn man bedenkt, dass Gegenzölle der EU nicht lange auf sich warten lassen würden. Wir schätzen, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Risikoszenario im Jahr 2025 um 0,4 Prozentpunkte weniger wachsen würde als unter einem zu Kompromissen gezwungenen US-Präsidenten.