DZ BANK Research – Ausblick 2022: Nachholeffekte beflügeln Weltwirtschaft ab Sommer / Inflation lässt im Jahresverlauf nach – bleibt in Deutschland aber über EZB-Ziel / DAX erreicht 18.000 Punkte
Trotz stark steigender Corona-Infektionszahlen und massiver Lieferkettenprobleme blickt das DZ BANK Research zuversichtlich auf das kommende Jahr. Die Analysten erwarten ab dem zweiten Quartal 2022 eine kräftige wirtschaftliche Erholung, die von Nachholeffekten getrieben wird. Eine zunehmende Impfquote ermöglicht eine Normalisierung des Alltags- und Wirtschaftsleben. Für das weltweite Wirtschaftswachstum prognostizieren die Experten 4,4 Prozent, in Deutschland legt das BIP um 4,8 Prozent zu. Die weiterhin niedrigen Zinsen und die aufgestauten Produktionsaufträge treiben die großen Aktienindizes zu Rekorden. Für den DAX sagt die DZ BANK zum Ende des kommenden Jahres 18.000 Punkte voraus. Die Inflation lässt im Verlauf des Jahres nach.
Das zweite Corona-Jahr glich einer Achterbahnfahrt. Nachdem das erste Quartal von weltweiten Lockdowns geprägt war, sprang der Motor der globalen Wirtschaft ab April überall fast zeitgleich wieder an. Im zweiten Quartal wuchs Deutschlands Wirtschaft gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 9,9 Prozent und der Euroraum um 14,2 Prozent. Die Nachfrage nach Energie und Vorprodukten sorgte aber schnell für eine stark anziehende Inflation und Lieferengpässe. Weil viele Firmen die Aufträge nicht mehr bedienen konnten, ging das Wachstum zurück. Die globale Lieferkettenproblematik wird die Wirtschaft noch mehrere Monate belasten. Erst ab dem zweiten Quartal des neuen Jahres lassen die Probleme nach.
In den USA erreichte die Teuerungsrate im Oktober 6,2 Prozent – das gab es zum letzten Mal 1990. Hierfür verantwortlich sind hohe Energiekosten, aber auch gestiegene Preise für Freizeitdienstleitungen sowie teure Gebrauchtwagen. Laut den Volkswirten der DZ BANK sind das Sonderfaktoren, deren Bedeutung 2022 abnehmen wird. Die Inflation sinkt im kommenden Jahr auf 3 Prozent. Da die US-Gesundheitsbehörden den Corona-Impfstoff auch für Kinder freigegeben haben und mit vielen Booster-Impfungen zu rechnen ist, dürfte die Impfkampagne weiteren Schwung erhalten. Das gibt auch den Verbrauchern Zuversicht und sollte die Pandemie weiter eindämmen. Die US-Wirtschaft wird deshalb im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent wachsen.
Für den Euroraum prognostiziert das DZ BANK Research ein Wachstum von 4,8 Prozent. Ab dem zweiten Quartal sollten die Lieferketten besser funktionieren, weil sich der Rückstau an vielen Häfen allmählich auflöst. Das hilft Unternehmen, ihre Aufträge zu erfüllen. Im Winter bläst der wirtschaftliche Gegenwind jedoch zunächst weiter.
Deutschland: Nach Winterblues kommt kräftiges Wachstum
Die deutsche Wirtschaft steht aufgrund der Klimawende und Digitalisierung unter großem Innovationsdruck, ihre Produkte sind aber auch während der Pandemie weiterhin auf der ganzen Welt gefragt. Die vollen Auftragsbücher können erst ab dem Frühling wieder mit höherem Tempo abgearbeitet werden, erst dann stehen wichtige Vorprodukte wie Microchips in größerem Umfang zur Verfügung. Auch die stark steigende Corona-Inzidenz sowie die erneut schleppende Impfkampagne bereiten der Wirtschaft in den kommenden Monaten Sorgen. „Ein allgemeiner Lockdown wäre ein Super-Gau und könnte im Dienstleistungssektor für irreparable Schäden sorgen“, sagt DZ BANK Chefvolkswirt Michael Holstein, der jedoch nicht von erneuten flächendeckenden Schließungen ausgeht. Die Analysten rechnen mit einem Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent.
2,2 Prozent: Inflation bleibt über EZB-Ziel
Der historische Anstieg der Teuerungsrate in Deutschland liegt vor allem an dem Wegfall des Mehrwertsteuereffekts und hohen Energiekosten, insbesondere dem Rohölpreis. Da die Energiepreise allmählich wieder sinken, sagen die Analysten für Deutschland 2022 eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent voraus – leicht über dem EZB-Ziel. Trotzdem gebe es Herausforderungen, die die Inflation auch länger nach oben treiben könnten. Hierzu zählt Michael Holstein die teure und noch nicht gelöste Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft sowie De-Globalisierungstendenzen, die den internationalen Warenverkehr erschweren. Auch der demografische Wandel in Industrie- und Schwellenländern könnte Löhne und damit die Inflation befeuern.
Geldpolitik: Uneiniges Europa strapaziert Mandat der Notenbank
Um den Folgen der Pandemie entgegenzuwirken hat Europa die Geld-Bazooka gezückt. Historische Hilfspakete treiben den Schuldenstand vieler Eurostaaten in schwindelerregende Höhe. „Die EZB hat sich in die Rolle einer Risikomanagerin drängen lassen, weil sich der Euroraum bei der Fiskalpolitik nicht einig ist. Die Schuldenstände sind bei niedrigen Zinsen kein Problem, bei hohen aber schon. Auch wegen der Inflation muss die Notenbank das im Blick haben“, erklärt Michael Holstein. Mit einer Zinswende rechnet das DZ BANK Research in der Eurozone im nächsten Jahr trotzdem nicht. Das Geld bleibe billig, weshalb es umso wichtiger sei, die Märkte mittelfristig auf Veränderungen gut vorzubereiten.
Ampel-Koalition: Neue Regierung könnte sich bei Reformen verzetteln
Den Haushalts-Mahner dürfte in der neuen Bundesregierung allen voran die FDP geben, die sich gegen eine Aufweichung der Maastricht-Kriterien sträubt. Nach anfänglicher Euphorie könnte die neue Dreier-Regierung an für Deutschland wichtigen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen schnell scheitern – zum Beispiel bei der Schaffung von Wohnraum. „400.000 neue Wohnung im Jahr zu bauen, dürfte an Personal- und Materialmangel scheitern“, betont Holstein. Neben dem Klimawandel ist vor allem die Alterssicherung eine der zentralen Herausforderungen. Helfen könnten ein flexibles Renteneintrittsalter und ein staatlich geförderter Aktienfonds. „So lange die Zinsen niedrig sind, sollte man damit starten“, betont Holstein.
Aktienmärkte: Jahr der Zykliker sorgt für Rekordgewinne
Die Party an den Aktienmärkten geht laut Chefanlagestratege Christian Kahler auch nach dem Jahreswechsel weiter. Dann dürften sich vor allem Aktienindizes in den USA und Europa ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Für den DAX sagt Kahler historische 18.000 Punkte voraus: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – wenn die Aufträge aufgrund von besser funktionierenden Lieferketten erfüllt werden können, ist die Fahrt frei – insbesondere für Zykliker und deutsche Aktien.“ Auch andere europäische Titel dürften profitieren. Den Euro Stoxx 50 erwarten die Analysten Ende 2022 bei 4.800 Zählern. In den USA werden neben Zyklikern konjunkturunabhängige Firmen – insbesondere Big Techs – starke Ergebnisse liefern. Der S&P 500 sollte auf Jahressicht auf 5.200 Zähler klettern. Weitere Top-Performer dürften neben dem Tech-Sektor Energieunternehmen und Banken sein.
Musterportfolio: USA und Europa dominieren
„Das größte Risiko für Anleger ist 2022, nicht am Aktienmarkt investiert zu sein“, betont Kahler. Der Grund sind steigende Unternehmensgewinne, stabile Geschäftsmodelle und niedrigen Zinsen. Eine breite Streuung bleibe aber wichtig. In seinem Musterportfolio hält er Anleihen von europäischen Unternehmen zu rund 25 Prozent. Europäische Energietitel und Bankaktien machen jeweils 5 Prozent aus. DAX-Titel füllen das Portfolio mit 13 und Aktien aus dem Nasdaq 100 mit 9 Prozent. Im noch laufenden Jahr hat das Musterportfolio um 5,7 Prozent zugelegt.