Was kommt nach der Krise?
Volker Brand, Abteilungsdirektor im Firmenkundengeschäft am Standort Düsseldorf, und Chefvolkswirt Michael Holstein werfen einen Blick auf die Zeit nach Corona.
Dieser Freitag der 13. bleibt Volker Brand, Abteilungsdirektor im Firmenkundengeschäft am Standort Düsseldorf, im Gedächtnis. „Ich erinnere mich noch genau. Der Tag war kühl aber frühlingshaft. Ich besuchte am Nachmittag einen langjährigen Kunden aus der Tourismusbranche. Ein mittelständisches Unternehmen, das am Anfang des neuen Geschäftsjahres noch Umsatzrekorde brach“, erzählt er. Dass dies das letzte persönliche Treffen mit seinem Kunden für viele Monate sein sollte, wusste Brand zu dem Zeitpunkt nicht. Denn an diesem Freitag den 13. rief Gesundheitsminister Jens Spahn die deutsche Bevölkerung dazu auf, wegen COVID-19 zu Hause zu bleiben. Die Unsicherheit war da schon groß, erzählt Brand – eine Reisewarnung folgte auf die nächste und Länder fingen an, ihre Grenzen dicht zu machen. „Als Rheinländer bin ich grundsätzlich optimistisch. Außerdem habe ich in diesem Job schon viele Krisen mitgemacht. Dass ein florierendes Geschäftsmodell von heute auf morgen aufgrund von staatlichen Maßnahmen lahmgelegt wird, war aber auch für mich neu. Und das, obwohl ich ein alter Hase in dem Bereich bin“, erinnert sich Brand.
Aber nicht nur bei seinen Kunden, auch in der DZ BANK ging es nun Schlag auf Schlag. Zwar dauerte es noch eine gute Woche bis zum ersten landesweiten Lockdown, die Vorbereitungen für das mobile Arbeiten liefen aber bereits auf Hochtouren. „Natürlich war das stressig, aber die Umstellung hat bei uns hervorragend geklappt. So konnten wir uns ohne Einschränkungen um unsere Kunden kümmern, was auch notwendig war. Vieles konnten wir am Anfang der Pandemie noch gar nicht richtig einschätzen – auch wie die Hilfen vom Staat aussehen würden“, erklärt Brand.
Die vielzitierte Bazooka zündete erst spät. Immerhin sei das bereits erprobte Kurzarbeitergeld schnell umgesetzt worden. „Mit dieser Regelung konnte Deutschland eine hohe Arbeitslosigkeit verhindern. Die Auszahlung von anderen Hilfsmitteln wie den KfW-Krediten lief anfangs nicht reibungslos. Außerdem musste die Förderbank die Kreditanforderungen zunächst fortlaufend anpassen“, betont Volker Brand.
Der Blick des Chefvolkswirtes auf die Krise
Die Pandemie hat Deutschland im vergangenen Jahr schwer getroffen – das Bruttoinlandsprodukt sank 2020 gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent. Auch das neue Jahr startete gedämpft. Im ersten Quartal gab es einen wirtschaftlichen Rückgang von 1,7 Prozent. Für das gesamte Jahr prognostiziert die DZ BANK immerhin ein Wachstum von 2,7 Prozent. Mit Prognosen beschäftigt sich Chefvolkswirt Dr. Michael Holstein jeden Tag. Die Corona-Krise beeinflusst auch seinen Berufsalltag permanent. „Es ist ein Auf und Ab. Die produzierende Industrie brummt mittlerweile wieder, dem Dienstleistungssektor geht es aber zumindest in einigen Sparten sehr schlecht. Erst im Sommer dürfte es wirklich besser werden, entscheidend ist der Impfstoff und bei der Beschaffung hat Deutschland viele Fehler gemacht“, erklärt Michael Holstein. In diesem für Deutschland so wichtigen Jahr – die Bundestagswahl findet im September statt – müssten die Weichen für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts gestellt werden.
„Unabhängig von Corona stehen wir vor großen Herausforderungen. In der Industrie sehen wir einen grundlegenden strukturellen Wandel – alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr so gut, wie noch vor einigen Jahren. Außerdem altert Deutschland – die Babyboomer gehen in wenigen Jahren in den Ruhestand. Das hat erhebliche Folgen für den Arbeitsmarkt und die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“, betont Holstein.
Die Corona-Pandemie habe Wunden offengelegt und den Wandel beschleunigt. „Digitale Technologien haben einen ungeheuren Schub bekommen. Viele Digitalunternehmen haben deshalb noch mehr Gewinne erzielt und andere Firmen wurden gezwungen, sich umzustellen. Sowohl die deutsche Privatwirtschaft als auch der Staat müssen die Digitalisierung deshalb spätestens jetzt als höchste Priorität ansehen. Welche Gefahren entstehen, wenn das nicht der Fall ist, hat unser weitgehend analoges Gesundheitswesen gezeigt“, sagt Michael Holstein.
Der Weg aus der Krise: Lieber Wachstum statt Corona-Soli
Doch wie kann sich der deutsche Staat und der Mittelstand aus der Krise befreien? Von dem in der Öffentlichkeit bereits heiß diskutierten „Corona-Soli“ hält Holstein nicht viel. Er rät der kommenden Regierung lieber dazu, auf Wachstum zu setzen. „Wir haben bereits hohe Steuersätze und unser aktuelles Abgabensystem setzt teilweise zu wenig Anreize, um Arbeit überhaupt aufzunehmen. Ein Corona-Soli ist aus volkswirtschaftlicher Sicht deshalb nicht zu empfehlen. Wir brauchen ein schnelleres Wachstum, um Geld wieder reinzuholen. Eine Vereinfachung und Erleichterung bei den Abgaben ist dafür Voraussetzung.“
Die Banken sieht der Volkswirt bei der Überwindung der Krise und für eine gut funktionierende Wirtschaft in einer Schlüsselrolle. „Es ist positiv, dass die wichtigen Funktionen, die Banken im Wirtschaftskreislauf spielen, wieder ins Bewusstsein gerückt sind. Und auch die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsbanken und der KfW bei der Bewältigung der Krise hat insgesamt funktioniert“, meint Michael Holstein.
„Es wird Marktbereinigungen geben“
Die schlaflosen Nächste, die es am Anfang der Pandemie durchaus gegeben habe, seien erstmal vorbei. „Nachdem am Anfang der Corona-Krise ganze Finanzierungsstrukturen unserer Kunden zusammengebrochen waren und wir zusammen mit den Unternehmen sowie der KfW Lösungen finden mussten, hat sich unser Team an den Krisenmodus mittlerweile fast gewöhnt“, sagt Volker Brand. Neben der Hoffnung, dass die Impfkampagne weiter an Fahrt gewinnt, sieht Brand insbesondere die Digitalisierung als wichtigen Faktor, damit die Wirtschaft die Krise hinter sich lässt. „Zum einen haben wir als Bank mit den Mitteln der Digitalisierung bewiesen, dass wir unsere Geschäftspartner aus dem Homeoffice gut betreuen können. Zum anderen sehen wir auch bei unseren Kunden, dass die Digitalisierung bei der Umstellung des Geschäftsmodells hilft. Auch wenn – gerade im Tourismus oder der Gastronomie – dadurch nicht alles ersetzt werden kann“, sagt Brand.
Er sei davon überzeugt, dass die Geschäftsmodelle greifen müssten und das ginge in Extremsituationen meistens nur durch Wandel. „Das wird aber nicht jedem gelingen. Insbesondere in Krisenbranchen werden Geschäftsmodelle unter Umständen gar nicht mehr zur Vorkrisennormalität zurückkehren. Wenn wir etwa den stationären Einzelhandel und unsere Innenstädte betrachten – da ist sicherlich mit Marktbereinigungen zu rechnen“, sagt der gebürtige Mülheimer.
Gute Portfolioauswahl vor der Krise
Für die Kunden der DZ BANK ist der langjährige Firmenkundenbetreuer aber zuversichtlich. „Wir prüfen viel und ausgiebig. Mit dem Wissen, dass wir als Bank vor der Krise eine gute Portfolioauswahl gemacht haben, blicke ich positiv in die Zukunft. Viele unserer Kunden haben sich krisenresistent gezeigt und wir sind mit ihnen noch stärker zusammengewachsen. Insbesondere bei den Firmen, wo wir eine starke Stellung als Hausbank haben.“ Die enge Kundenbeziehung werde auch in der „Post-Pandemie“-Phase wichtig bleiben. Dann gingen die Aufräumarbeiten los: Für manche seiner Kunden stünden dann der Abbau der Schulden auf der Agenda. Andere wiederum, die sich in den letzten Monaten mit Investitionen zurückgehalten haben, dürften mit dem Wirtschaftsaufschwung zurückgestellte Investitionen nachholen, glaubt Volker Brand.
Dass er die meisten Kunden auch wieder regelmäßig treffen wird, daran hat er keinen Zweifel. „Der persönliche Kontakt zum Kunden wird das A und O in der Zusammenarbeit bleiben“, so Brand. Mit Blick auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Effizienz werde aber nicht mehr jedes Thema einen persönlichen Besuch erfordern. Gewisse Dienstleistungen können in Zukunft digital effizienter abgebildet werden; komplexe Fragestellungen erfordern weiterhin das persönliche Gespräch. „Der Mix wird’s machen“, ist Brand überzeugt.